Archiv 2022
14.11.22: Endgültig: Deutscher Bundestag beschließt umstrittenes Triage-Gesetz
Der Deutsche Bundestag hat am 10.11.2022 in 2. und 3. Lesung mit der Mehrheit fast aller Stimmen der Koalitionsfraktionen eine umstrittene Änderung des Infektionsschutzgesetz (IfSG) verabschiedet, um damit die sogenannte „Triage-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen.
Mit Annahme eines diesbezüglichen Gesetzeswurfes der Bundesregierung soll die bestehende grundgesetzlich verbriefte Schutzpflicht von Menschen mit Behinderungen, die sich aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes ergibt, umgesetzt werden. Fachleute kritisierten, das Gesetz der Ampel lasse große Lücken und der Auftrag des Verfassungsgerichts werde nicht umgesetzt.
» Mehr zum Bundestagsbeschluss zum Triage-Gesetz auf www.sterbehilfe-debatte.de
12.10.22: Nachruf zum Tod von Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner * 22.11.1933 † 25.09.2022
Am 25.09.2022 starb Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner. Klaus Dörner war der große Unterstützer und Mitinitiator, als sich Ende der achtziger Jahre der Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten (BEZ e.V.) mit seiner Hilfe gründete und er mit Frau Nowak, einer zwangssterilisierten Frau, die ersten Schritte bis hin zur Gründung unserer Opferorganisation unternahm. Schon sehr bald kamen weitere Unterstützer und Unterstützerinnen hinzu, die zur Opfergruppe der Zwangssterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten gehörten.
Klaus Dörner unterstützte und prägte den BEZ in den ersten Jahren, auch in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis zur Erforschung der Zwangssterilisation und „Euthanasie“. Er schrieb für viele Opfer Gutachten, die keinen papierenen Nachweis ihrer Zwangssterilisation beibringen konnten, weil er in den Kriegsjahren verloren gegangen, aus Scham vernichtet oder in den früheren Anstalten nicht mehr „auffindbar“ war. Seine Gutachten wurden von der Entschädigung auszahlenden Behörde anerkannt. So erhielten auch diese Menschen eine bescheidene Anerkennung ihres Erlittenen und den an ihnen begangenen Verbrechen.
Für all seine Unterstützung und Arbeit danken wir Klaus Dörner im Namen der Angehörigen!
Ergänzende Informationen:
Nachruf vom Michael Wunder am 04.10.22
Traueranzeige in der Süddeutschen Zeitung vom 08.10.22
10.10.22: Stellungnahme des Arbeitskreises zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation zur Frage der gesetzlichen Regelung einer (geschäftsmäßigen) Suizidbeihilfe
Der „Arbeitskreises zur Erforschung der nationalsozialistischen Euthanasie und Zwangssterilisation“ hat vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte Anfang Oktober 2022 eine lesenswerte Stellungnahme zur Frage der gesetzlichen Regelung einer (geschäftsmäßigen) Suizidbeihilfe veröffentlicht. Sie ist im Auftrag des Arbeitskreises verfasst worden von den Medizinhistoriker*innen und -ethiker*innen Frau Maike Rotzoll, den Herren Thomas Beddies, Philipp Osten, Peter Schmiedebach und Michael Wunder und nimmt vor einem historisch – ethischen Hintergrund eine Bewertung und Empfehlung vor.
Zusammengefasst: Eine ausdrückliche gesetzliche Erlaubnisregelung des ärztlich assistierten Suizids, der für sich genommen bereits im gegenwärtigen Recht keinen Straftatbestand darstellt, aber nicht zu den ärztlichen Aufgaben gehört, ist für die Unterzeichner*innen aus historischer und ethischer Sicht eine höchst fragwürdige Konsequenz aus dem BVerG-Urteil vom Februar 2020. Sie wäre für einen angemessenen Umgang mit kranken, behinderten und pflegebedürftigen Menschen ein falsches Signal. Eine Verbotsregelung mit einer Straffreiheit für eng umgrenzte Ausnahmen, wie sie im Gesetzentwurf von Castellucci angedacht sind, könnte dagegen ein gesellschaftlicher Kompromiss sein.
Stellungnahme des Arbeitskreises zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation zur Frage der gesetzlichen Regelung einer (geschäftsmäßigen) Suizidbeihilfe
Oktober 2022 (5 Seiten, PDF-Format)
29.05.22: Broschüre zu Stolpersteinen in Offenbach
Die Geschichtswerkstatt Offenbach (GWO) hat eine Broschüre herausgegeben mit Kurzbiografien von 200 Menschen, für die bis heute in Offenbach Stolpersteine verlegt wurden. Von 2006 bis 2021 haben sie bei 12 Aktionen Stolpersteine verlegen können.Wenn Sie in Offenbach auch schon einige entdeckt haben, erhalten Sie hier genauere Informationen zu den gewürdigten Personen. Am Anfang dieser Broschüre finden Sie die Stolpersteine alphabetisch nach Straßen und am Ende nach Namen sortiert.
Hier bieten wir einen 19-seitigen Auszug aus der Broschüre als Download an. Die vollständige 120-seitige Broschüre kann gegen eine Spende von 5,- Euro bestellt werden per Mail an gwo.offenbach(at)gmail.com
Auszug aus der Broschüre „Offenbacher Stolpersteine – Gegen das Vergessen“
19 Seiten, Dezember 2021
02.05.22: Radiobeitrag „Euthanasie, Zwangssterilisation und Menschenversuche in der NS-Zeit“
Das zweistündige Feature vom 17.04.22 im „frei.raum“ des Bermuda.funk (Freies Radio Rhein-Neckar) befasst sich mit dem Thema „Euthanasie“, Zwangssterilisation und Menschenversuche in der NS-Zeit. Der Beitrag wurde von Studierenden der Fakultät Sozialpädagogik der Hochschule Mannheim produziert und ist Bestandteil eines Lern- und Forschungsprojekts über Biografien von Geschädigten nationalsozialistischen Terrors.
In der Hörfunksendung gibt es Auszüge von Interviews mit Überlebenden, die in den Jahren 2006 bis 2008 vom Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten (AG BEZ) geführt wurden. Der BEZ setzt sich für die Rehabilitierung der Opfer und leistet einen wichtigen Beitrag gegen das Vergessen des erlittenen Unrechts. Die Produktion ist in Kooperation mit dem BEZ entstanden und die ehemalige Geschäftsführerin Margret Hamm leitet in das Thema ein.
Der Beitrag ist auf der Webseite der Fakultät für Sozialwesen der Uni Mannheim abrufbar.
13.04.22: Theaterstück über Euthanasie und Zwangssterilisation in der NS-Zeit: Treppe ins Ungewisse
Das „theater odos“ in Münster hat mit Unterstützung der AG-BEZ ein sehenswerte Theaterstück entwickelt: „Treppe ins Ungewisse“.
Das Theaterstück holt die Auseinandersetzung mit dem Thema Euthanasie und Zwangssterilisation in der NS-Zeit auf die Bühne.
Auf Grundlage von Zeitzeugenberichten, Gerichtsurteilen und historischen Studien ist ein Stück entstanden, das versucht, das Unsagbare auszusprechen: Menschen wurden verstümmelt und ermordet, weil sie „störten“. Sie wurden als überflüssig, als unnötige finanzielle Belastung angesehen. Sie waren eine Gefahr für die Reinheit der deutschen „Rasse“.
Aufführungen Theaterstück „Treppe ins Ungewisse“
- 16. Juni 2022, tba Osnabrück, Museumsquatier
- 08. -10. Juli 2022, 20 Uhr Münster, Der Kleine Bühnenboden
- 09. November 2022, tba Münchberg, tba
Weitere Orte und Termine sollen folgen.
Theater odos bringt Jugendlichen und Erwachsenen wichtige Themen nahe, die meist in der Öffentlichkeit unbeachtet bleiben. Es kann mit dem Stück gebucht und an jedem Ort gespielt werden. Mehr dazu auf der Theaterwebseite.
» Ausführliche Informationen zum Theaterstück „Treppe ins Ungewisse“
20.02.22: Zeittafel zur Entschädigungspolitik für Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte ergänzt
Ende 2016 haben wir eine umfangreiche Zeittafel zur Entschädigungspolitik für Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte von 1953 bis heute veröffentlicht. Diese Zusammenstellung wurde nun ergänzt bezüglich Entschädigungsleistungen ab Januar 2022.
Die laufende Leistung wird gem. dem Erlass des BMF vom 14.02.22 rückwirkend zum 01.09.21 für alle Zwangssterilisierten sowie betroffene Heimbewohner von 580,00 € auf 600,00 € erhöht. Die Erhöhung wird unverzüglich umgesetzt.
Im Februar 2022 lebten noch 36 entschädigungsberechtigte Zwangssterilisierte, im Jahr zuvor waren es 49. Es gibt noch einen beihilfeberechtigten „Euthanasie“-Geschädigten.
» Zur Zeittafel zur Entschädigungspolitik für Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte
17.02.22: Geschichte inklusiv: Neue barrierearme Internetseite zu den nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen
Am 10.02.22 ging die neue Internetseite „Geschichte inklusiv“ der Gedenkstätte für die Opfer der „Euthanasie“-Morde Brandenburg an der Havel online. Unter der Adresse www.geschichte-inklusiv-sbg.de bietet sie erstmals die Möglichkeit, sich mit dem Themenkomplex der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen in einfacher Sprache und mit leichter Navigation online auseinanderzusetzen.
Die Gedenkstätte reagiere damit auf den hohen gesellschaftlichen Nachholbedarf im Bereich der digitalen Teilhabe, heißt es in einer Pressemitteilung zur Freischaltung.
Ausgehend von Brandenburg an der Havel, wird die Geschichte einer Tötungsanstalt beispielhaft erzählt. Die Webseite führt in die Lebensgeschichten der Opfer ein, nimmt aber auch Täterinnen und Täter sowie die Stadtbevölkerung in den Blick. In einem Abschnitt geht es um die Frage „Wie gehen wir heute mit dieser Geschichte um?“ Dazu werden Akteurinnen und Akteure der Erinnerungskultur vorgestellt.
Die Webseite ermöglicht mithilfe von eigens produzierten Videos, historischen Fotografien und Dokumenten sowie Texten in einfacher Sprache, die man sich auch vorlesen lassen kann, vielfältige Zugänge zu komplexen historischen Sachverhalten und regt zur Reflexion der eigenen Position an.
» Zur Webseite www.geschichte-inklusiv-sbg.de
02.02.22: Online-Vortrag am 10.02.22 zum Thema „Die alte Euthanasiediskussion und die neue Sterbehilfedebatte – Tötung auf wessen Verlangen?“
Am 10. Februar 2022 von 18.30 – 20.00 Uhr gibt es online eine interessante Veranstaltung der Hamburger Fern-Hochschule (HFH) zum Thema „Die alte Euthanasiediskussion und die neue Sterbehilfedebatte – Tötung auf wessen Verlangen?“ mit Dr. Michael Wunder.
In seinem Vortrag im Rahmen einer Ringvorlesung zur Grundrechtsdebatte stellt Dr. Wunder die Euthanasie-Diskussion seit Ende des 19. Jahrhunderts der aktuellen Debatte um Sterbehilfe, um Tötung auf Verlangen und um das Recht auf Suizidbeihilfe gegenüber.
Der Referent Dr. Michael Wunder von der Evangelischen Stiftung Alsterdorf ist u.a. Autor zahlreicher Beiträge zur Medizin im Nationalsozialismus, Behindertenhilfe, Biomedizin und Bioethik. Er war Mitglied der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ in der 14. und 15. Legislaturperiode im Deutschen Bundestag und war von 2008 bis 2016 Mitglied des Deutschen Ethikrats.
Die Teilnahme an der Online-Veranstaltung ist kostenlos und nur nach Anmeldung möglich.
» Mehr zum Programm und zur Anmeldung zur Veranstaltung am 10.02.22
06. Januar bis 28. Februar 2022: Ausstellung an der VHS Bielefeld „Krankenmorde und Deportationen aus Bielefeld und Bethel im Nationalsozialismus“
Ort: VHS Bielefeld
Ravensberger Park 1
33607 Bielefeld
Veranstalter:
FH Bielefeld Forschungsgruppe Bethel im Nationalsozialismus, unterstützt von Entschieden gegen Rassismus und Diskriminierung e.V. Bielefeld
Vortragsreihe zur Ausstellung
Ergänzend gibt es zwischen dem 12.01. und 10.02.2022 eine Vortragsreihe zur Ausstellung. Alle Veranstaltungen finden in der VHS Bielefeld statt. Bitte informieren Sie sich dort über die Corona-Hinweise!
- 26.01.22, 19:00 Uhr: Vortrag und Podiumsdiskussion Dr. Christine Biermann (Stolperstein-Initiative Bielefeld e.V.): „Erfahren, wissen, verstehen, handeln: Schulische Erinnerungskultur und Demokratiepädagogik am Beispiel des Projektes „Stolpersteine“ – eine Einführung ins Thema mit konkreten Beispielen“
- 02.02.22, 19:00 Uhr: Vortrag Edward Wieand: „Erna Kronshage (1922-1944): Hintergründe zu ihrem kurzen Leben & ihrem langen Sterben“
- 09.02.22, 19:00 Uhr, Online-Lesung und Interview mit Andreas Burmester: „Die Versandung – Annäherung an eine einzige gesprochene Andeutung“
- 10.02.22,19:00 Uhr, Lesung mit Barbara Degen: „Katharina und die Stimmen“
VHS Bielefeld, Murnau-Saal, 3. Etage, Eintritt frei!
Weitere Informationen
Ausführliches Programm der Begleit-Veranstaltungen zur Ausstellung (2 Seiten im PDF-Format)
Meldungen 2009 – 2022
Weitere Meldungen von 2009 bis 2022 zum Thema Euthanasie, Zwangssterilisation und der Arbeit der AG-BEZ finden Sie in unserem Archiv.