23.01.14: Mannheim enthüllte mobiles Mahnmal für die Opfer der Zwangssterilisierung im Nationalsozialismus
„Weil sie meinen, ich bin weniger wert wie andere. Zwangssterilisierung ist ein Verbrechen.“
So steht es auf dem am 05.11.2013 enthüllten Mahnmal für die Opfer der Zwangssterilisierung im Nationalsozialismus in Mannheim.
Für ein Jahr befindet sich das Mahnmal vor dem Amtsgericht, dem Ort des ehemaligen Erbgesundheitsgerichtes buchstäblich im Weg. Es wird im jährlichen Turnus seinen Standort ändern und jeweils an den Orten der Täter von damals präsent sein. Das pädagogische Begleitkonzept sieht vor, dass benachbarte Schulen die Patenschaft für das Mahnmal übernehmen und sich mit dem Thema Zwangssterilisierung auseinandersetzen.
Der Künstler Michael Volkmer erhielt von einer Wettbewerbsjury unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister D. Peter Kurz den Auftrag, seinen Entwurf zu realisieren.
Etwa 1000 Mannheimerinnen und Mannheimer wurden zwangsweise sterilisiert. Das Mahnmal, ein klinisch weißer Block, symbolisiert mit etwa tausend angedeuteten Kuben diese Menschen. Die Oberfläche ist nicht plan, sondern unterschiedlich erhaben, wie Menschen nicht gleich sind. Die Kanten der Kuben sind allerdings abgerundet: Ecken und Kanten wurden den Menschen abgeschliffen.
Auf einer Seite ist das Zitat einer Betroffenen zu lesen:
„Weil sie meinen ich bin weniger wert wie andere….“
Der Arbeitskreis Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus in Mannheim sichtete die Akten des Mannheimer Erbgesundheitsgerichts im Generallandesarchiv Karlsruhe und stieß dabei auf etwa tausend Akten. Etwa ein Viertel davon wurde ausgewertet. Da im Bestand des Archivs mehrere Anfangsbuchstaben fehlen, kann nicht genau gesagt werden, wie viele Menschen tatsächlich dem Verfahren in Mannheim ausgesetzt waren.
Das jüngste zwangssterilisierte Mädchen war zwölf Jahre alt; die älteste Frau, die vor das Erbgesundheitsgericht gebracht wurde, war 63 Jahre alt – ihr Verfahren wurde aber eingestellt.
Der Arbeitskreis stellte die Forschungsergebnisse zunächst in Vorträgen vor, entschloss sich aber bald, anhand von Einzelschicksalen deutlich zu machen, was Zwangssterilisation für die Betroffenen bedeutete und wie tief die eugenischen Gedanken auch schon vor 1933 in der Gesellschaft verwurzelt waren. Er erarbeitete eine szenische Lesung, in der drei Mannheimer Fälle aus Akten des Gerichts rekonstruiert und dargestellt werden.
Diese szenische Lesung wurde in Mannheim an allen Orten der an den Zwangssterilisationen Beteiligten oder deren Nachfolgern aufgeführt: am Universitätsklinikum, am Diakoniekrankenhaus, am Fachbereich Gesundheit, an der medizinischen Fakultät sowie am Landgericht, insgesamt jetzt zehn Mal.
Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema gelang es, mit allen beteiligten Institutionen und unter Einbeziehung des Stadtarchivs, des Fachbereichs Bildung und des Kulturamtes einen Runden Tisch zu organisieren, der sich zur Aufgabe machte, das Mahnmal zu realisieren und ein pädagogisches Konzept für die Beschäftigung von Schulen mit diesem Thema zu entwickeln. Das ist nun gelungen.
Erinnern ist wichtig, um den Sinn für Unrecht in der Gegenwart aber auch für die Zukunft zu schärfen.
Deshalb ist es gut, dass dieses Mahnmal an ehemaligen Tatorten stehen wird und Jugendliche sich auch in Schulen mit diesem auch sehr aktuellen Thema auseinandersetzen werden. Zugleich soll das Mahnmal ein Ort sein für betroffene Angehörige und Familien.
Viele der Mannheimerinnen und Mannheimer, die zwangsweise sterilisiert wurden, hatten vorher schon Kinder. Deren Nachkommen sollen wissen: Die Zwangssterilisierung war ein nationalsozialistisches Unrecht.
Der Arbeitskreis begreift das Mahnmal als öffentliche – wenn auch sehr späte – Entschuldigung bei den Betroffenen sowie Ihren Angehörigen und Nachkommen.
Weitere Bilder und Informationen zum Mahnmal und Kontakt finden Sie unter www.akjustiz-mannheim.de